„Sie sind nicht gut genug!“ Diesen Satz hat jeder von uns sicher schon des Öfteren gehört. Wieso bin ich nicht gut genug? Was machen andere besser als ich? Wie stellt sich jener an, der aufgenommen wurde? Bestimmt würde ich seinen Job viel besser machen als er. Gedanken wie diese können nach so einer Absage schon mal durch den Kopf geistern. Auch ich hatte auf der Suche nach einem Praktikum in der Medienbranche damit zu kämpfen. Gemischt mit Wut, Trauer und Verzweiflung erhält man den perfekten Mix. Wie kann man diesen vermeintlichen Gefühlscocktail noch retten?
Der Versuch einer Erklärung
Meine Situation schilderte sich so: Ende November 2020 stieß ich auf eine Jobausschreibung die so lautete: „Jetzt bewerben: Praktikum 2021 in der Medienbranche bei soundlarge“. soundlarge – who? Praktikum? Ich studiere doch Jus und muss mich auf eine Prüfung vorbereiten, gleichzeitig aber war und ist das Medieninteresse ungebrochen hoch… wie soll das gehen? Die mir bis dato nur beiläufig bekannte Hörfunk- und Audioproduktionsfirma sollte mich schon bald mehr zum Schwitzen bringen, als mir lieb war. Aber alles von Anfang an…
Der „In-Evidenz-Gehaltene“
„Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass wir Ihnen diesmal keine Stelle anbieten können, werden Sie allerdings in Evidenz halten“ – diese Standard-08/15-Antwort habe ich schon allzu oft gehört. Das klassische Prozedere Bewerbung (bestehend aus Lebenslauf und Motivationsschreiben) – Einladung zum Bewerbungsgespräch – Bewerbungsgespräch – Absage und „Pseudo-in-Evidenz-Haltung“ durfte, ja fast schon musste ich bereits einige Male durchlaufen. Das Gefühlstheater spielte dabei, so wie immer, alle „Stick’ln“.
Man könnte das Ganze auch mit einem Date vergleichen: Zunächst schreibt man miteinander, schickt sich süße Herzchen-Emojis, trifft sich, lernt sich kennen, um dann im Endeffekt draufzukommen, dass sie nicht Single ist, sondern einen Freund hat. Also aufpassen, dass man sich nicht an der vermeintlich neuen Flamme die Finger verbrennt. Tinder verschafft, zumindest meistens, Abhilfe liebe Alleingebliebenen. Aber auch hier heißt es Vorsicht, selbst bei Tinder-Matches gilt die Regel nicht zu hohe Erwartungshaltungen und Hoffnungen zu haben, da man sonst schnell große Enttäuschungen erleben kann. Und wir wollen uns ja wirklich nicht unnötig die Finger verbrennen. Das musste ich sowohl am Arbeits- als auch am Singlemarkt bereits erleben. Der „in-Evidenz-Gehaltene“ trifft wohl auf beiderlei Varianten zu. Brandnarben beweisen es.
Licht am Ende des Tunnels
Aber dann… Mitte Dezember nach einer weiteren Absage eines großen Medienhauses, ein weiterer Hoffnungsschimmer… „Einladung zum Casting bei soundlarge“ hieß es diesmal, „bei dem musst aber Gas geben“ ließ mich zunächst etwas verdutzt zurück, da ich nicht wusste, ob die 84 PS meines Autos reichen würden. Meine Hoffnungen auf einen Praktikumsplatz sanken ungemein, denn es war klar, dass mich ein alles andere als leichtes Casting und ein ebenso herausforderndes Praktikum in der Medienbranche erwarten würde, bei dem man mit ebenso viel Gas eine Absage kassieren könnte.
Da waren sie wieder die Gedanken… bin ich wohl gut genug? Was hat derjenige, der aufgenommen wird, was andere nicht haben? Die Angst zu scheitern und erneut einen Schluck dieses so bitteren Gefühlscocktails nehmen zu müssen, wurde von Tag zu Tag größer und war direkt am Castingtag ungemein hoch. Was machen andere besser als ich? Wie stellt sich jener an, der aufgenommen wurde? Bestimmt würde ich seinen Job viel besser machen als er. Um ehrlich zu sein, ein weiterer Gedanke, nämlich jener das Jus-Studium hinzuschmeißen und mich voll und ganz auf die Medienbranche zu fokussieren, kam mir nicht nur einmal – so auch während der Vorbereitung für das vermeintlich schwierigste Casting, das mich je erwarten würde.
„Und wieso sollten wir dich für ein Praktikum in der Medienbranche nehmen?“
Und es soll tatsächlich das schwierigste Casting werden, das ich je durchmachen musste. Der Gefühlscocktail lässt grüßen. Mit anfänglichen Startschwierigkeiten, bedingt durch intensives Nachhaken zu meiner Entscheidung Jus zu studieren und nicht direkt ein medienrelevantes Studium anzugehen, hatte ich anfangs zu kämpfen. Dennoch fand ich langsam den bekannten roten Faden und konnte meine Überzeugungen, Visionen und Standpunkte für die ich brenne, klar darbringen. Positive Flammen, an denen ich mir nicht meine Finger verbrenne, wohlverstanden. Während des Gesprächs versuchte ich sowohl Standhaftigkeit und innere Ruhe, als auch meine umfangreiche Vorbereitung zum Ausdruck zu bringen. „Alles im Leben hat einen Sinn – so schlimm es auch klingt, auch eine Pandemie erfüllt einen Zweck, nämlich beispielsweise jenen uns endlich aufzuwecken aus unserem konsumverrückten Tiefschlaf.“
Aber es zeigte mir auch, dass Empathie eine wahre Stärke von mir ist, die nicht mehr wegzudenken wäre und die Entscheidungsfreudigkeit eine klare Schwäche ist. Ebenso welche Überzeugungen mich prägen und in welche Richtung ich in Zukunft gehen möchte, wofür ich eben brenne. Diese Flamme begegnete mir nicht allzu oft bis jetzt, sowohl im Beziehungsleben, als auch in meinem derzeitigen Studium. Daher versuche ich nun die Trendwende zu schaffen und mich auf das zu fokussieren, was mich wirklich interessiert, in beiderlei Hinsicht.
Vorsicht heiß! Von lodernden Flammen und anderen Feuern
„Gratuliere zu deinem Praktikumsplatz!“ Ein Praktikum in der Medienbranche also! Schnitttechnik, Sprechtraining und Interviewführung statt Schadenersatz, Verfassungsrecht und Haftstrafen heißt es in Zukunft während meines Praktikums bei soundlarge. Ich hoffe nun endlich meine (Medien-) Flamme zeigen zu können und eventuell neue Flammen zu finden, ich lass das einfach mal so stehen. Ich erwarte mir in den nächsten zwei Monaten einen umfassenden Einblick in den Radio-/Online-Journalismus zu bekommen, Interviewführung, Sprechtechniken sowie richtige Recherche zu erlernen. Außerdem freue ich mich erste Radiobeiträge selbst produzieren und sprechen und einen Aufstieg und eine Auferstehung zugleich erleben zu dürfen. Das alles mit einer ständig lodernden Flamme und möglichst wenig Gefühlscocktails, bitte.