In der Medienwelt ist derzeit Vorsicht geboten. Denn unter dem massiven Süßholzgeraspel von Kevin Ulrich läuft man dieser Tage schnell Gefahr, einen der kulturell bedeutsamsten Zusammenschlüsse der Filmhistorie, die Rede ist von Amazon und MGM, fast völlig zu überhören. Kevin Ulrich ist nämlich Vorsitzender des Vorstandes von Metro Goldwyn Mayer. Und – er hat eine Nachricht für uns:
Der berühmte goldene Löwe von MGM wird bald nur noch unter der Schirmherrschaft von Amazon brüllen dürfen. Und darauf – ist man richtig stolz! Der Vorsitzende klingt hier also etwas euphorisch, oder halt wie jemand, der gerade einen 8,45 Milliarden US-Dollar Deal über die Bühne gebracht hat. Und das ist selbst für Amazon… zumindest Geld. Und der zweitgrößte Kauf der jungen Firmengeschichte. Den ersten Platz hält derzeit nämlich noch die 2017 erfolgte Übernahme der Firma Whole Foods. Damals für schmale 13,7 Milliarden US-Dollar. Vier Jahre später ist halt MGM an der Reihe. Oder wie Jeff Bezos sagen würde: schlechte Zinsen. Aber jetzt mal im Detail:
Meine Damen und Herren: Das Buffet ist eröffnet!
Wie viele der großen Hollywood-Studios, musste auch Metro Goldwyn Mayer im letzten Jahr einige Rückschläge einstecken. So wurde zum Beispiel der nächste 007 James Bond Film der Reihe „No Time To Die“ wegen Corona mehrfach verschoben. Den Titelsong stellte Billie Eilish. Und auch grundsätzlich geht der Trend eben einfach immer mehr Richtung Heimkino. Diese Dynamik ermöglicht seit einiger Zeit große Zusammenschlüsse. So kaufte sich Disney schon 2012 den gesamten LucasFilm-Konzern. Und WarnerMedia kündigte erst letzte Woche an, den Konkurrenten Discovery in ihr Portfolio aufnehmen zu wollen. Bereits unter deren Fittichen: CNN, HBO, und Warner Bros.
MGM: Von der Goldenen Ära zur Prime Time
Dass es nun mit Metro Goldwyn Mayer einen alteingesessenen Giganten der Goldenen Ära Hollywoods trifft, zeigt nur wie weit fortgeschritten die Monopolisierung an der Spitze der Filmindustrie bereits ist. Das Studio wurde nämlich bereits 1924 gegründet und hält die Rechte an bedeutenden Marken wie James Bond, Rocky, Basic Instinct oder halt auch RoboCop. Und auch bedeutende Serien entstanden bereits in den geschichtsträchtigen Hallen von MGM. Darunter: The Handmaids Tale, Fargo oder Vikings. Insgesamt hält MGM so, Standpunkt heute, ein Portfolio von mehr als 4.000 Filmen und 17.000 TV-Episoden.
Geschichten mit hoher Qualität
Um also noch einmal die euphorischen Worte von Kevin Ulrich aufzugreifen: „Diese Übernahme ermöglicht, dass die ursprüngliche Idee bei der Gründung von MGM so weiterlebt, wie ursprünglich beabsichtigt. Nämlich angetrieben von Talenten und ihrer Vision!“
Und immerhin: Auch Senior Vice President von Prime Video und den Amazon Studios, Mike Hopkins, glänzt mit Bescheidenheit. „Der wahre finanzielle Wert hinter diesem Deal liegt in dem Schatz an geistigem Eigentum in dem großen Katalog von MGM, den wir neu denken wollen.“, so dieser. Zugegeben. Vielleicht zaubern die Worte finanzieller Wert und geistiges Eigentum nicht ganz so viele helle Punkte in den funkelnden Sternenhimmel wie Talente und Visionen. Aber keine Angst, Mike Hopkins kann auch anders. Denn zudem sei: „Das Ganze sehr aufregend und biete viele neue Möglichkeiten, Geschichten mit hoher Qualität zu erzählen.“ Aber hallo. Wenn das kein Marketing ist! Geschichten mit hoher Qualität.
No Time To Fry
Die erdachte Zukunft der schlichten Online-Plattform scheint für uns auf jeden Fall deutlich näher, als es sich irgendjemand wünschen soll. Denn spätestens wenn nur noch das Brüllen des alten Löwen vor dem nächsten Exklusiven Amazon-Prime Blockbuster an die Goldene Ära Hollywoods erinnert, müssen wir endlich aufschrecken, und uns fragen: Hat Alexa eigentlich schon bei Whole Foods zu Abend bestellt?
Philipp Lacher